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Mantelerlass: Ständerat bewahrt Augenmass

23.05.2023

Der Ständerat hat in der zweiten Woche der Sommersession beim Mantelerlass, dem Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, erste Differenzen mit dem Nationalrat bereinigt. Dabei hat er einige wichtige Schritte in Richtung einer mehrheitsfähigen Vorlage unternommen.
So verzichtet er auf eine Solarpflicht bei Bestandesbauten und auf die Aufhebung des Biotopschutzes beim Bau von bspw. Wasserkraftwerkens. Stattdessen fügt er einen Vorrang für Solar- und Windanlagen von nationalem Interesse in dafür geeigneten Gebieten hinzu. Dies ist für den zeitnahen Ausbau der erneuerbaren Energien entscheidend.
In der Herbstsession ist dann wieder der Nationalrat am Zug. Im Folgenden ordnen wir die wichtigsten Entscheide des Ständerates ein.

Kompromiss beim Biotopschutz und beim Restwasser

Der Ständerat hat sich für einen Kompromiss beim Biotopschutz ausgesprochen und folgt damit dem Nationalrat. In Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten soll es weiterhin generell ausgeschlossen sein, Anlagen zur Energieproduktion zu bauen.
Allerdings schaffen die beiden Räte eine wichtige Ausnahme: In Gletschervorfeldern, also dort, wo sich bestehende Gletscher zurückziehen, soll dies nicht per se verunmöglicht werden. In diesen Gebieten soll eine Interessenabwägung möglich sein. Das heisst, auch dort werden die Umweltinteressen weiterhin berücksichtigt.
Gletschervorfelder können künftig eine wichtige Doppelfunktion spielen: Sie können das Schmelzwasser und Niederschläge zurückhalten, was auch für den Hochwasserschutz und die Trinkwasserversorgung wichtig ist. Und sie können zur Energieproduktion beitragen.

Auch bei den Restwassermengen hat der Ständerat einen vernünftigen Weg gefunden. Die verschärften Restwasserbestimmungen sollen bei Konzessionserneuerungen nicht pauschal sistiert werden, sondern nur, wenn sich eine Mangellage abzeichnet oder wenn die Zubauziele nicht erreicht werden.

Darüber hinaus sollen im Rahmen des Kommissionspostulats 23.3007 Lösungen gesucht werden für den Zielkonflikt zwischen Erhalt der Energieproduktion und verschärften Restwasserbestimmungen.

Stärkung der Erneuerbaren in der Interessenabwägung

Eine wichtige Differenz schafft der Ständerat bei der Frage, ob neben den Wasserkraftprojekten auf der Liste des Runden Tisches auch Solar- und Windanlagen unter gewissen Bedingungen einen grundsätzlichen Vorrang vor anderen nationalen Interessen erhalten sollen.
Der Ständerat bejaht diesen Vorrang für Anlagen von nationalem Interesse, die in dafür geeigneten Gebieten liegen, welche die Kantone zuvor in ihren Richtplänen bezeichnet haben. Dabei müssen die Kantone die Interessen des Landschaft- und Biotopschutzes und der Walderhaltung sowie die Interessen der Landwirtschaft, namentlich des Kulturlandschutzes und insbesondere des Schutzes der Fruchtfolgeflächen, berücksichtigen.
Diese Bestimmung ist für den zeitnahen Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion sehr wichtig. Denn so werden Einsprachen gegen Anlagen in dafür geeigneten Gebieten schwieriger. Die Energieproduktion wird in der Interessenabwägung vor den Gerichten gestärkt.

Keine vom Bund verordnete Solarpflicht im Bestand

In einem weiteren Punkt hat der Ständerat Augenmass bewahrt: Er will keine ausgeweitete Solarpflicht für Bestandesbauten im nationalen Recht. Dies begrüssen die Kantone explizit. Erstens liegt die Gebäudeenergiepolitik gemäss Verfassung hauptsächlich bei den Kantonen. Und zweitens war die Regelung nicht durchdacht.
Betroffen gewesen wären alle Hausbesitzer, die ihr «Dach sanieren». Doch was heisst «Dachsanierung» überhaupt? Gilt das schon, wenn jemand einen Ziegel auswechselt oder nur bei umfassenden Gesamtsanierungen? Und wo liegt die Grenze? Diese und andere Fragen – wie beispielsweise auch die Ausnahmen – hätten dann die Kantone beantworten und bestimmen müssen.

Dabei kennen 21 von 26 Kantonen bereits eine Solarpflicht für Neubauten. Diese geht weiter als die im vergangenen Herbst beschlossene nationale Solarpflicht, welche die restlichen 5 Kantone seit Anfang Jahr anwenden. Die Kantone sind zudem daran ihre Bestimmungen weiterzuentwickeln und auch die Besitzer von bestehenden Gebäuden in die Pflicht zu nehmen. Sie werden dabei aber dem Lebenszyklus einzelner Bauteile sowie der Wirtschaftlichkeit der geforderten Massnahmen Rechnung tragen.

Man darf hier getrost den Kantonen vertrauen, sie haben jahrelange Erfahrung mit der Regulierung und dem Vollzug von Gebäudevorschriften und dies durchaus mit Erfolg, wie man bspw. hier nachlesen kann.

Parlament steht in der Pflicht

Ob Biotopschutz, Restwasser oder Solarpflicht: Der Ball liegt nun beim Nationalrat. Insgesamt steht das Parlament in der Verantwortung eine mehrheitsfähige Vorlage zu verabschieden, welche den dringend nötigen Ausbau der inländischen, erneuerbaren Stromproduktion endlich entschieden vorantreibt.

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